Flucht in die Hoffnung by Rothkamm Tina

Flucht in die Hoffnung by Rothkamm Tina

Autor:Rothkamm, Tina [Rothkamm, Tina]
Die sprache: deu
Format: epub, azw3, mobi
ISBN: 9783492955447
Herausgeber: Piper ebooks
veröffentlicht: 2012-06-20T18:58:15+00:00


DER ANFANG VOM ENDE

Die Stimmung bei uns zu Hause war zum Schneiden. Doch ich hatte noch keinen Ausweg gefunden, denn wohin sollte ich? Ich hatte keine Wohnung, kein Geld, keinen Job. Wenn ich länger über meine Situation nachdachte, verzweifelte ich. Wie ein gefangenes Tier fühlte ich mich. Alles, was mir blieb, war die Hoffnung, dass sich unser Leben doch noch irgendwie zum Guten wenden würde. Wir könnten uns arrangieren. Zu Freunden werden. Warum auch nicht? Doch ich glaubte selbst nicht daran. Mein Gottvertrauen hatte mir schon so oft geholfen – warum nicht auch diesmal? Und ganz verlassen war ich doch noch nicht. Wenn ich meine Tochter betrachtete, ging mir das Herz auf, und ich erkannte, dass alles gar nicht so schlimm war, solange sie bei mir war. Was wollte ich denn mehr vom Leben, als die Mutter dieses wundervollen Kindes zu sein?

Längst herrschte zwischen Emira und mir eine besondere Vertrautheit. Vielleicht waren es die Monate in Deutschland, die wir allein verbracht und die uns zusammengeschweißt hatten. Vielleicht waren es auch unsere Ausflüge mit Elsa … in gewisser Weise hatten wir uns verschworen, und manches Mal musste ich an die Beziehung zu meiner Mutter denken. Auch wir waren eng vertraut gewesen, nur hatte ich einen liebevollen und fürsorglichen Vater und keine Bastion mit meiner Mutter bilden müssen, um uns zu schützen.

Auf das, was mit Farid geschah, hatte mich das Leben nicht vorbereitet. Dieser Hass, der in ihm steckte … den konnte ich nur schwer fassen. Und er vergiftete auch mich.

Ich stand in der Küche und bereitete das Mittagessen vor, als ich Farids Schritte auf der Treppe hörte. Er ging nicht, er stampfte. Jede Bewegung, die er machte, war laut, besitzergreifend, aggressiv.

»Ich bin da!«, rief er überflüssigerweise. Knallte die Flurtür zu. Dann die Badtür. Er konnte Türen nicht normal schließen. Was war überhaupt normal an diesem Mann?

Knall, die Wohnzimmertür. Er griff nach meinem Handy auf dem Regal und kontrollierte meine Anruflisten, das machte er täglich, so wie andere Leute ihre Post durchgehen, wohl gemerkt: ihre, nicht die von Familienangehörigen. Niemals wäre das in meiner Familie vorgekommen.

»Du hast mit niemandem telefoniert?«, fragte er mich. »Auch nicht mit deiner Familie? Oder hast du dir ein zweites Handy zugelegt? Wie viele SIM-Cards bunkerst du? Ich bin nicht blöd, weißt du.«

Die Luft um ihn flirrte. Alarmstufe rot. Emira stürmte in die Küche. »Mama, schau mal!« Sie wollte mir irgendetwas zeigen, blieb dann aber abrupt stehen, als sei sie gegen eine Wand gelaufen.

Da packte Farid sie, hob sie grob in die Luft. Sie strampelte und schrie, aber Farid trug sie bis zu ihrem Zimmer, wo er sie auf das Bett schleuderte. Er schloss die Tür ab.

Ich war ihm nachgelaufen und starrte auf die Türklinke, die sich wie von Geisterhand ruckartig bewegte. Rauf und runter. Rauf und runter. Hinter der verschlossenen Tür schrie Emira wie am Spieß.

Mit einem bedrohlichen Gesichtsausdruck näherte Farid sich mir. Mein Handy hielt er in der Hand. Warf es in die Luft, fing es wieder auf, warf es in die Luft, fing es wieder auf.



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